Wir möchten an dieser Stelle noch einmal auf einen Fall zurück kommen, über den wir hier schon einmal unter dem Titel „Guru-Endo“ berichtet haben. Zum einen, weil es ein neues Röntgenbild anlässlich einer aktuellen Verlaufskontrolle gibt, vor allem aber deshalb, weil wir diesen Fall beispielhaft in einem Aufsatz zur „Rolle der sorgfältigen Desinfektion in der Endodontie“ im DENTAl-MAGAZIN, Ausgabe März vorgestellt haben.
(Zur Methode der sorgfältigen Desinfektion in der Enododontie mehr unter: „Rationelle Endodontie„)
Ohne unser Wissen und damit natürlich auch ohne unsere Zustimmung wurde von der Redaktion des DENTAL-MAGAZIN in diesen Aufsatz ein Kasten eingefügt, in welchem Prof. Dr. Detlef Heidemann aus Frankfurt neben anderen auch diesen „Hinweis“ zur Anwendung von CHKM gibt, der sich nach der neueren Literatur (Siqueira 2003) inzwischen als eindeutig falsch herausgestellt hat:
„Eine mangelhafte antimikrobielle Wirkung ist von Spangenberg und Engström bereits in den 70iger Jahren nachgewiesen worden“.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie lange sich Gerüchte in der Medizin halten, und wie unreflektiert im Bezug auf ihre Evidenz und wider neuerer Erkenntnisse Ergebnisse einer betagten Einzelmeinung noch in der nächsten Generation unüberprüft nacherzählt werden.
Betrachten wir noch einmal kritisch diesen exemplarischen Fall:
Es handelt sich um eine kleinere apikale Ostititis der mesialen Wurzel eines 36, wie wir sie täglich in der Praxis sehen. Er wurde nach allen der als state of the art geltenden Regeln moderner Enodontie behandelt, einschließlich der sofortigen definitiven Versorgung mit einer Krone. Das röntgenologische Ergebnis kann sich fraglos sehen lassen und eine Reinfektion von koronal scheidet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Die deutliche Zunahme der ursprünglich relativ kleinen apikalen Aufhellung nach erfolgter WF ist also zweifelsfrei auf die Exazerbation von Keimen zurückzuführen, die anlässlich der Desinfektion mit den von der aktuellen Lehre empfohlenen Desinfektionsmitteln nicht vollständig eliminiert werden konnten.
Wenn wir uns jetzt die Bemühungen um die erfolgreiche Revision anschauen, stellen wir fest, dass diese so unglücklich gelaufen ist, wie man sich das nur vorstellen kann:
* Aufgrund der lateralen Kondensation der Guttapercha gelang die komplette Revision insbesondere der stark beherdeten mesialen Wurzel nur zu etwa zwei Dritteln der gesamten Wurzellänge
* Bei dem forcierten Versuch, diese Revison der beherdeten mesialen Wurzel doch noch vollständig durchzuführen, wurde eine via falsa produziert. Darüber hinaus kam es zu einer Fraktur eines Instrumentes, das nicht entfernt werden konnte
* Allein unter der wiederholten Einlage von CHKM bildeten sich die sehr deutlichen klinischen Zeichen der Entzündung (schmerzhafte kirschkerngroße vestibuläre Knochenauftreibung) vollständig zurück. Der Lockerungsgrad des Zahnes reduzierte sich gleichzeitig von L=I-II auf L=0.
*Röntgenologisch heilt die anlässlich des Revisionsbeginns relativ große apikale Aufhellung innerhalb von nur 8 Monaten nahezu vollständig ab, wobei die zum Zeitpunkt der erneuten Wurzelfüllung in ihrer Ausdehnung schon deutlich reduzierte Aufhellung in den folgenden 5 Monaten nahezu vollständig verschwindet. Dies ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass bei diesem zweiten Versuch, den Zahn zu erhalten, keine Keime mehr belassen wurden, die exazerbieren könnten.
Diejenigen, die aufgrund einer einmal veröffentlichen, in keiner Weise evidenzbasierten Einzelmeinung immer wieder gebetsmühlenhaft nacherzählen, CHKM habe „eine mangelhafte antimikrobielle Wirkung“ müssen angesichts dieses beispielhaften Falles endlich einmal sagen, was denn nach ihrer Meinung diese in der Medizin völlig normale, weil durch sorgfältige Desinfektion mit einem potenten Desinfiziens begründete Wende zum Guten, die letztlich zum Erhalt dieses Zahnes geführt hat, verursacht hat.
Diesen typischen Verlauf als Glückstreffer, Sonntagsschuss oder gar als Wunder abzutun, halten wir angesichts der Veröffentlichung von ca. 60 vergleichbaren Fällen aus unserem eigenen Patientengut allein auf dieser Homepage nicht für besonders überzeugend.
Denjenigen, die diese Fälle nicht kennen, ist selbstverständlich kein Vorwurf zu machen, wenn sie den Nacherzählungen von früher glauben und die Verwendung von CHKM in der Folge als unwirksam, schädlich, nicht indiziert oder gar obsolet ablehnen.
Diejenigen aber, die diese Fälle kennen, müssen sich in unseren Augen die Frage gefallen lassen, wie lange sie es noch für indiziert halten, ihren Patienten dieses potente, ausgesprochen nebenwirkungsarme Medikament bei der Behandlung der apikalen Ostistis vorzuenthalten. Dies um so mehr, als es schon wieder eine neue in vivo Untersuchung gibt, die nachweist, dass nach in fünfminütigem Abstand über eine halbe Stunde lang durchgeführten Saug-Spülungen mit 5.25 %igem NaOCL 55 % der zuvor infizierten Kanäle nach wie vor infiziert waren.