Nicht anders ist es zu erklären, dass beispielsweise Patienten mit ästhetisch nicht mehr vollständig einwandfreien, alten Frontzahnbrücken in der Praxis auftauchen, die ihre Lücken mit Implantaten füllen wollen, weil sie nachhaltig überzeugt sind, dass man anschließend die prothetische Versorgung nicht mehr von einer natürlichen Bezahnung unterscheiden kann.
Viel nachdenklicher macht es, dass auch sehr viele Kollegen auf diese Reklame hereinfallen und inzwischen offensichtlich zu glauben scheinen, die Eingliederung konventioneller Brücken sei nicht länger indikationsgerecht. Das kann man nur vor dem Hintergrund erklären, dass sich Implantologen gelegentlich sogar zu der Aussage hinreißen lassen, die Eingliederung einer Brücke käme in Zeiten zahnärztlicher Implantologie einem Behandlungsfehler gleich.
Nicht anders ist es zu erklären, dass es zu derart grotesken Behandlungsplanungen kommt:
Zustand nach Fraktur der alten Brücke 13-16. Um die provisorische Versorgung während der Einheilungsphase der nach Sinuslift zu inserierenden Implantate an 14 und 15 zu gewährleisten, war der im Zahnfilm sehr deutlich beherdete Zahn 13 mit einem neuen gegossenen Stiftaufbau versorgt worden. 16 und 17 sind vital. Die Aufhellung an der Wurzelspitze von 17 stellte sich im Einzelfilm als Überlagerung von Strukturen heraus.
Es ist der Verdienst des Kollegen Dr. Wolfgang Kirchhoff aus Marburg, der als implantierender Zahnarzt und langjähriger Gutachter für private Krankenversicherungen über eine ausgesprochen große Erfahrung verfügt, das offensichtliche Missverhältnis zwischen Schein und Sein scharfsinnig analysiert und die Implantologie auf das ihr zukommende Maß zurechtgestutzt zu haben.
Dr. Kirchhoff weist anhand von Studien zur Langlebigkeit konventioneller Brücken, die Quoten von absterbenden Zähnen nach prothetischem Beschleifen, den Erfolgsaussichten ihrer endodontischen Versorgung und den Quoten für den Langzeiterfolg von Implantaten nach, dass die konventionelle Brücke der implantologischen Versorgung um den Faktor 4 überlegen ist.
Unberücksichtigt bleibt in seiner Rechnung:
a) Studien zu Implantaten berücksichtigen nur das Verweilen im Mund. Alle Komplikationen wie beispielsweise das Vorliegen einer Periimplantitis oder freiliegender Gewindegänge werden nicht berücksichtigt. Hierbei muss man bedenken, dass die Periimplantitis wesentlich foudroyanter verläuft als die Parodontitis und dass gegen sie bisher kein Kraut gewachsen ist
b) Die Implantat-Studien beziehen in der Regel die Frühverluste nicht mit ein, also beispielsweise nicht die Implantate, die die Firmen kostenlos ersetzen.
c) Es gibt im Gegensatz zur Brückenprothetik bisher nur eine einzige große Studie über 10 Jahre an (glatten) Brännemark-Implantaten, auf die sich alle beziehen, wenn es um den prospektiven Langzeiterfolg der eigenen implantologischen Bemühungen geht. In dieser Studie waren jedoch offensichtliche Risiken von vorne herein ausgeschlossen, weil nur Zähne im Unterkiefer in ortsständigem Knochen berücksichtigt wurden, also keine Implantate im deutlich schlechteren Knochen des Oberkiefers, kein Bone- Spreading, keine Sinuslifte, keine Knochen-Augmentationen.
Darüber hinaus macht Wolfgang Kirchhoff in seiner Analyse weitere interessante Aussagen, die für uns
Allgemeinzahnärzte wissenswert sind. Zum Beispiel macht er mit den durch nichts zu belegenden, jedoch in hohem maße werbewirksam herausgestellten Aussagen Schluss, Implantate würden durch Krafteinleitung Knochenverlust vermeiden oder sogar Knochengewinn generieren.