Wie kann dat??
August 2001, unmittelbar nach Implantation 36. Die Kronen 44,45,46 waren im Juli 2001 zementiert worden (Klick!) |
November 2002, ca. 15 Monate nach Eingliederung der Kronen 44,45,46. 44 und 45 sind verblockt und über ein konfektioniertes T-Geschiebe mit der Krone 46 verbunden. (Klick!) |
Klinische Situation von okklusal (Klick!) |
Klinische Situation im Schlussbiss, die Krone auf dem Implantat regio 46 steht unverändert in guter Okklusion, genau die gesamte kontralaterale Seite (Klick!). |
Wenn man eine Linie zwischen dem Foramen mentale und der Wurzelspitze von 43 zieht wird deutlich, dass die Wurzelspitzen von 44 und 45 deutlich tiefer stehen als vor 15 Monaten. Der Patient gibt sehr glaubwürdig an, keine schlechten Gewohnheiten wie z.B. Pfeifen- oder Stiftkauen zu haben.
In Medline erhält man unter der Sucheingabe "implants dental intrusion" 30 Literaturangaben. Das Phänomen ist offensichtlich bekannt und Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und Experimente. Bei der Verbindung von Implantaten und natürlichen Zähnen über prothetische Konstruktionen scheint es in ca. 3-5 % der Fälle zu messbaren Intrusionen der natürlichen Zähne zu kommen, wobei die Frequenz bei starren Verbindungen nach der Literatur etwas weniger ausgeprägt scheint als bei Verbindungen über Geschiebe. Wir haben allerdings keine Literaturstelle gefunden, die über einen Fall solcher Ausprägung in so kurzer Zeit berichtet. Offensichtlich ist, dass die Pathogenese dieses Phänomens von der Wissenschaft trotz der zahlreichen Untersuchungen und Experimente bisher nicht verstanden worden ist. Die Hypothesen über die Entstehung sind vielmehr vielfältig und teilweise widersprüchlich.
Wir haben diesen Fall unter dem Titel "Wie kann dat?" in einer zahnärztlichen Newsgroup vorgestellt und diskutiert. Vom selbst (noch) nicht implantologisch tätigen, jedoch mit der Fähigkeit zum logischen Denken deutlich überproportional ausgestatten Kollegen Michael Logies aus Wallenhorst bei Osnabrück erhielten wir die folgende sehr einfache, in allen Bereichen logisch nachvollziehbare Deutung, die nach unserer Auffassung alle in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen abschließend klärt:
Das Implantat ist sehr gut ankylosiert und in der Folge unbeweglich. Die Zähne 44 und 45 weisen trotz ihrer Verblockung aufgrund des Geschiebes einen gewissen Grad von Eigenbeweglichkeit lediglich nach kaudal auf, dem einzigen Freiheitsgrad, der durch das Geschiebe nicht wesentlich limitiert wird. Bei Kaudruck auf die Zähne 44 und 45 sinken diese leicht ein, bewegen sich also relativ zum ankylosierten Implantat nach kaudal. Die natürlichen Rückstellungskräfte, die eine Rückstellung des Kronenblocks nach Sistieren der Krafteinwirkung bewirken würden, sind aber nicht groß genug, um die Reibungskräfte des Geschiebes zu überwinden. Der Kronenblock "verklemmt" sich praktisch im Geschiebe ("Geschiebe passt zu gut") und verharrt auf einem leicht kaudal liegenden Niveau. Die Folge ist eine kontinuierliche Krafteinwirkung auf den Kronenblock bei jedem Kauvorgang in kaudaler Richtung ohne die Möglichkeit der Rückstellung.
Diese Deutung erklärt gleichzeitig das Phänomen, dass Intrusionen an natürlichen mit Implantaten über prothetische Konstruktionen starr verbundenen Zähnen ebenfalls auftreten, jedoch weniger häufig auftreten.
Insgesamt ein weiteres sehr schönes Beispiel dafür, dass sich viele Probleme, mit denen man sich in der Ausübung von Zahnheilkunde konfrontiert sieht und mit denen sich die Wissenschaft über Jahre frustran auseinander setzt, von einem Praktiker durch einfaches Nachdenken beantwortet werden können.