Alle Therapie-Ansätze in der Medizin sollten vorzugsweise auf der soliden Basis allgemeingültiger medizinischer Grundlagen fußen und sich von einem logisches Ansatz ableiten- Für die Endodontie bedeutet das:
1) Man muss bei der Aufbereitung soviel wie möglich aus den Kanälen herausholen.
Deshalb bereiten wir großzügig auf (apikal möglichst bis 45, koronalwärts bis 60), dabei achten wir darauf, im wahrsten Sinne des Wortes zu feilen, also alle seitlichen Ausläufer zu reinigen, da wir nach unserer Erfahrung die wenigsten Kanäle als rund erfühlen. So verfahren wir mit allen Kanälen, die wir sehen oder mit der spitzen Sonde ertasten.
2) Man kann nicht alles herausholen.
Deshalb verkünsteln wir uns nicht. Es werden ja immer mehr vorwiegend rudimentäre Kanäle entdeckt (nicht blutend), und die klassische Zuordnung der Zahl der Kanäle je nach betroffenem Zahn stimmt ja schon lange nicht mehr. Unter dem E-Mikroskop sieht man eine solche Fülle von Kanälchen, dass man die Illusion, wirklich alles rein mechanisch und völlig sauber aufbereiten zu können, zwangsläufig aufgeben muss. Zuletzt sind da noch ein mögliches apikales Delta und mögliche Seitenkanälchen, die sich jeglicher vollständiger Aufbereitung entziehen. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass man beim Aufbereiten schludern darf. Je besser aufbereitet wird (vor allem die lateralen Ecken und Ausläufer), desto besser ist der Zugang zu Nischen und accessorischen Kanälchen, in denen sich Keime verstecken, überleben und vermehren können, für die zu applizierenden Medikamente gesichert.
3) Um einen langfristigen Erfolg einer WF zu sichern, müssen möglichst keimarme Verhältnisse im Kanalsystem hergestellt werden.
Das sind Verhältnisse, die es dem Körper erlauben, mit den Restkeimen auch bei reduzierter Immunantwort (Erkrankung, Stress, usw.) alleine fertig zu werden. Wie jede ärztliche Therapiemaßnahme dient auch die Endodontie in erster Linie dazu, den Organismus in seiner Tendenz und seinen Bemühungen zur Selbstheilung wirkungsvoll zu unterstützen. Misslingt es, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, erreicht man lediglich ein Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr, das jeder Zeit zu Ungunsten der Abwehr exazerbieren kann, wenn die notwendige Immunantwort einmal nicht ausreichend ist. Darüber hinaus belastet man die Immunabwehr unnötig, da man lediglich ein instabiles Gleichgewicht erzeugt, das durch eine kontinuierlich ablaufende Verteidigungsreaktion aufrecht erhalten werden muss.
4) Wenn man also in keinem Fall sicher sein kann, allen Debris aus den Wurzelkanälen herausholen zu können, bleibt keine andere Wahl, als ein möglichst potentes Desinfiziens zu applizieren, das den verbleibenden Rest desinfiziert.
5) Bei ausgebildeter Gangrän liegt immer eine Besiedlung des apikalen Knochens vor, sei sie nun röntgenologisch sichtbar oder nicht.
Wir bemühen uns aus diesem Grunde einen Zugang zu diesem Bereich zu schaffen. Je größer und dunkler die Aufhellung, je deutlicher sollte der Zugang für das zu applizierende Desinfiziens sein. Hierbei handelt es sich um nichts anderes als um ein uraltes ärztliches Prinzip: „ubi pus, ibi evacue“., das seit Anbeginn der Heilkunde gilt, und das auch in überschaubaren Zeiträumen seine Gültigkeit nicht verlieren wird. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Eiter, sondern auch für seine Vorstufen, sämtliche bei einer Entzündung produzierter Stoffwechselprodukte der Bakterien und die Leichentoxine aus dem stinkigen Zerfall menschlichen Eigengewebes.