Die Überweisung für eine Augmentation mit autologem Knochen aus dem Beckenkamm und anschließender prothetischer Versorgung auf 2 Implantaten ist schnell  ausgestellt. Den Patienten zielgerecht in dieser Richtung aufzuklären, keine große Affäre. Eine andere Frage ist, ob eine solche Versorgung in diesem Fall auch indikationsgerecht ist. Das Wichtigste in der Medizin ist schließlich die Indikation. Wenn die Indikation nicht stimmt, gerät alles ins Schwimmen.

Denen, die einen solchen maximalinvasiven Eingriff einmal selbst durchlitten haben, wird diese  Indikationsstellung ohne jeden Zweifel nicht so leicht fallen. Dies insbesondere dann nicht,  wenn sie zur Gruppe der Unglücklichen gehören, bei denen die Implantation, deren Prognose nach Augmentation sehr deutlich abfällt, nicht so gelaufen ist, wie der Überweiser das gedacht, oder – vielleicht besser ausgedrückt – gehofft hat.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass die Information über die Prognose der vorgeschlagenen Versorgung unabdingbar zur dokumentierten Aufklärung gehört. Das liegt an den modernen Zeiten, in denen alles möglich erscheint. Als wir diese Versorgung geplant haben, stellte sich diese Frage noch gar nicht.

Verlaufskontrolle nach prothetischer Versorgung vor 17 Jahren im Juli 2009 (Klick!)

Diese Brücke von 14 auf 17 und die Krone auf Zahn 18 hatten wir auf den Tag genau vor 17 Jahren eingegliedert, als sich der Patient mit Beschwerden regio 17 wieder bei uns vorstellte, weil er sich erinnert hatte, dass die Brücke aus unserer Praxis stammte. Die Ursache für seine Beschwerden (auf Kälte hypersensibler Zahn 17) war nicht schwer zu ermitteln.

Zu dieser Brücke gibt es eine nette Anekdote. Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich die Modelle zur Registrierung in der Praxis befanden, stellte sich ein neuer Ausbildungs-Assistent vor. Frisch von der Uni. Meiner Aufforderung, sich frei in der Praxis zu bewegen und sich alles genau anzuschauen, kam er gewissenhaft nach.. Im Bewerbungsgespräch erklärte er mir dann, dass er die Stelle auf keinen Fall antreten werde. So etwas erlebt man nun wirklich nicht oft. So breit gestreut sind akzeptable Ausbildungsstellen in München nicht. Völlig verdutzt fragte ich also nach dem „warum“. Da zeigte er auf die den in den oberen Bildern sehr ähnlichen Modelle und erklärte selbstbewusst, dass er bei jemandem, der so präpariere, nicht arbeiten wolle. Meinen erstaunten Blick konterte er mit einem „Ich präpariere immer supragingival!“.

Ich habe ihn dann angegrinst und gespöttelt: „So ein Pech aber auch! Bei mir hätten Sie lernen können, wie man geschädigte, aber erhaltungswürdige Zähne indikationsgerecht versorgt und langfristig erhält!“ Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, dass er das wirklich verstanden hat.

Nach WK, genau so sorgfältiger wie geduldiger Desinfektion, WF und chirurgischer Kronenverlängerung an 17 (mesiale Rille im Knochen, um die Krone sichert auf Zahn zu platzieren), haben wir auf denselben Pfeilern wie vor 17 Jahren eine neue Brücke zementiert. Weil der Pfeiler 17 jetzt deutlich schwächer war, haben wir ihn diesmal mit der Krone auf Zahn 18 parodontalfreundlich verblockt. Die gesamte Konstruktion hat damit wieder einen Lockerungsgrad von L=0. In der Folge sind wir durchaus guten Mutes, dass die neue Brücke auch wieder viele Jahre ihren guten Dienst tut.

Man mag zu unserer „Barfuß-Zahnheilkunde“ stehen, wie man will. Sicher ist:

Die Zahnheilkunde, die heute von in hohem Maße verbal-aktiven Kolleginnen und Kollegen so gerne als „zeitgemäß“ bezeichnet wird, ist den Beweis bisher schuldig geblieben, dass eine prothetische Versorgung auf Implantaten bei diesen miserablen Knochenverhältnissen nach Augmentation mit Knochen aus dem Beckenkamm (oder sonst woher, oder nicht autolog, oder wie auch immer) mit guter Wahrscheinlichkeit voraussagbar die als Minimum zu fordernden 10 Jahre überstehen wird. Und dass man – wie in diesem Fall – noch dazu nach 17 Jahren auf denselben Pfeilern eine neue Brücke eingliedern kann, die mit guter Wahrscheinlichkeit in der Lage sein wird, 30 Jahre funktionell erfolgreicher prothetischer Versorgung in einem besonders schwierigen Fall voll zu machen. Und es wird auch noch sehr, sehr lange dauern, bis dieser Beweis erbracht werden wird, wenn es denn überhaupt jemals gelingt. Nicht nur zu meinen Lebzeiten sicher nicht.

Und noch etwas ist sicher und muss an dieser Stelle gesagt werden: Auch wenn man noch so gerne implantiert, oder als Überweiser einen auch noch so modernen Eindruck hinterlassen möchte, darf man nicht übersehen, dass es zur gesetzlich genau wie ethisch unabdingbaren Aufklärung gehört, den Patienten klipp und klar darauf hinzuweisen dass in diesem Fall die Brückenversorgung die eindeutig bessere Prognose hat. Und man muss sich im eigenen und im Interesse des Patienten davor hüten, sich das Gegenteil ein- und schönzureden, oder sich einreden zu lassen. Den Patienten, der sich nach einer dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Aufklärung für die implantologische Variante entscheidet, möchte ich erst einmal sehen.

Auch wenn es dato mehr Implantatsysteme als wissenschaftlich ernstzunehmende implantologische Studien zu geben scheint, weil letztere wahrscheinlich deutlich weniger einbringen, gibt es daran – auch aus zahnärztlich- wissenschaftlicher Sicht – überhaupt keinen Zweifel.

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