….des jeweiligen Patienten kommt wie bei allen Infektionskrankheiten natürlich auch bei der Endodontitis und ihren Komplikationen eine nachhaltige Bedeutung zu.
1. Spätestens seit der Studie von Marending et al. ist bekannt, dass der Zustand des unspezifischen Immunsystems des jeweiligen Patienten, der in früheren Untersuchungen als Parameter nicht mit einbezogen wurde, signifikante Aussagekraft für die Vorhersage des Erfolges endodontischer Therapiemaßnahmen bei apikaler Ostitis hat. Als weitere wichtige Parameter für die Vorhersagbarkeit des Therapieerfolges sehen sie die Ausprägung des prätherapeutischen PAI-Indexes und die Qualität der Wurzelfüllung.
2. Spätestens seit den Untersuchungen von Tronstadt et al ist bekannt, dass das Granlulom entgegen der verbreiteten Lehrmeinung sehr wohl bakteriell besiedelt ist, dass also die endodontische Infektion nicht per Definition auf den Wurzelkanal beschränkt ist, dass zumindest die Hälfte der bei der Endodontitis beteiligten Keime nicht kulturell, sondern nur molekularbiologisch nachweisbar sind, und dass Biofilmbildung nicht nur auf der Wurzeloberfläche und im Wurzelkanal, sondern auch auf von den Bakterien produzierten Granula in den Granulomen nachzuweisen ist.
3. Spätestens seit der bemerkenswerten in-vivo-Studie von Nair et al. ist bekannt, dass in 90 bis 100% der Fälle von nach dem Goldstandard des sogenannten one-visit-Protokoll (rotierende Aufbereitung, 1/2-stündige Wechselspülung mit 5,5%igem NaOCl und 10%igem EDTA, definitivem Abfüllen) wurzelgefüllter Molaren mit apikaler Beherdung, molekularbiologisch nachweisbar überlebende, biofilmbildende Keime in den Wurzelkanälen zurückbleiben
4. Spätestens seit der Studie von Kvist et al. ist bekannt, dass nach Aufbereitung und 10minütiger Spül-Desinfektion mit 5%igem NaOCL apikal beherdeter Zähne sowohl ohne als auch mit Zwischeneinlage von Ca(OH)2 in 29 respektive 36% überlebende Keime nachweisbar sind, wobei dieser Unterschied statistisch nicht signifikant ist.
Allein durch die logische Kombination dieser 4 Studien, die allesamt aus diesem Jahrtausend stammen, wird deutlich, dass der seit Miller aus dem 19. Jahrhundert bis heute gültige technisch-mechanische Ansatz bei der Behandlung der Endodontitis als überholt angesehen werden muss, und dass der sorgfältigen Desinfektion der mechanisch nicht zu reinigenden übrigen 70% des endodontischen Hohlraumsystems und seiner benachbarten Strukturen (Granulom) endlich die Bedeutung zugewiesen werden muss, die ihr zukommt.
Die technisch-mechanische Therapie allein ist nicht indikationsgerecht, weil der Behandler nach der sorgfältigen Aufbereitung das Heft der Behandlung sozusagen auf halben Wege ohne Not aus der Hand gibt und es der Qualität der individuellen Immunantwort des jeweiligen Patienten überlässt, ob es zu einer Ausheilung kommt oder nicht. Von einer indikationsgerechten Therapie würde man vielmehr erwarten, dass sie die für die Infektion verantwortlichen Bakterien vor dem definitiven Verschluss vollständig abtötet.
Dass dieses therapeutische Ziel mit der geduldigen Langzeit-Desinfektion mit einem potenten Desinfektionsmittel wie beispielsweise ChKM vollständig zu erreichen ist, zeigt der folgende Fall aus der Praxis von Dr. A. Gross/ D. Helfen / M. Schilling in 71034 Böblingen, Berliner Str. 7/1:
Welche Schäden eine Chemotherapie in Gebissen anrichten kann, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Die mesiale Karies an 36 ist ein typischer Befund. Die Chemotherapie deckt aufgrund der nahezu vollständigen Suppression der Immunantwort des betroffenen Patienten vorhandene Infekte gnadenlos auf. In diesem Fall macht sie aber auch gleichzeitig deutlich, dass die apikale Ostitis an 35 wirklich vollständig ausgeheilt wurde. Es handelt sich also nicht um das typische Gleichgewicht zwischen Angriff und Immunantwort, das bei wurzelgefüllten Zähnen, die vor dem Abfüllen nicht sorgfältig genug desinfiziert wurden, durch eine verbleibende Restaufhellung röntgenologisch sehr häufig dokumentiert ist.
In modernen, wissenschaftlichen Endodontie-Studien zur Erfolgsrate von Behandlungsprotokollen bei apikaler Ostitis werden im Gegensatz zu früher regelmäßig schon die Fälle mit röntgenologischer Verkleinerung der Aufhellung, häufig genug auch bereis die mit unveränderter Größe bei Beschwerdefreiheit als erfolgreich gewertet. Zum Glück müssen sich nicht alle Patienten einer Chemotherapie unterziehen. Ansonsten würden die ohnehin unakzeptablen Erfolgsstatistiken mit Sicherheit noch deutlich schlechter ausfallen.