…..und für den Erfolg einer Praxis ist nichts so wichtig wie ihr (guter) Ruf. Wenn ein Zahnarzt allerdings einen sogenannten Ruf hat, ist das immer ein guter.
Und diesen Ruf erlangt man nicht durch die Extraktion von erhaltungswürdigen Zähnen und die Zerstörung funktionstüchtiger Restaurationen. Das kann jeder. Einen Ruf erhält man vielmehr für den Erhalt von Zähnen und Restaurationen auch in schwierigen Fällen. Das können nur sehr wenige. Erhalten und Bewahren beweist dem Patienten, dass das Interesse seines Zahnarztes nicht am schnellen Profit und damit ausschließlich am Eigeninteresse ausgerichtet ist, sondern am Interesse des Patienten und damit am langfristigen Erfolg seiner Praxis. Und das spricht sich herum. Mund zu Mund-Werbung ist das beste Marketing, und wird es auch auf alle Zeit bleiben. Denn obwohl es sich noch längst nicht in allen Praxen herumgesprochen zu haben scheint, entscheiden sich Patienten für den Erhalt ihrer eigenen Zähne und gegen Zahnersatz und Implantate, wenn sie denn vor die Wahl gestellt werden. Und in Zeiten knapper werdender Ressourcen holen immer mehr Patienten eine Zweitmeinung ein, ehe sie sich ihre eigenen Zähne extrahieren zu lassen. Nichts ist förderlicher für den Ruf als Patienten, die im Bekanntenkreis erzählen, dass ihr neuer Zahnarzt, den sie wegen einer Zweitmeinung aufgesucht haben, ihnen den Zahn, zu dessen Extraktion der Vorgänger dringend geraten hat, scheinbar mühelos erhalten hat.
Hier zwei überzeugende Fallbeispiele aus der Praxis Dr. A. Gross/ D. Helfen / M. Schilling in 71034 Böblingen, Berliner- Str. 7/1.
Hinter beiden Fällen steckt eine große Menge zahnerhaltenden Know-How’s, viel eigene Arbeit und wenig kurzfristiger Gewinn. Es wäre ein Leichtes gewesen, durch Extraktionen, Implantationen und/oder umfangreiche prothetische Neuversorgungen einen schnellen Profit zu generieren. Das Schöne an einem „Ruf“ ist, dass man das nicht nötig hat, weil eine hohe Patientenfrequenz dafür sorgt, dass man nicht darauf angewiesen ist, seinen Lebensunterhalt mit der Überversorgung der wenigen zu bestreiten, die einen aufsuchen, obwohl man keinen hat. Alles hängt eben mit allem zusammen.
Wenn man aber einen Ruf hat, dann braucht man auch in schwieriger werdenden Zeiten nicht zu jammern und die Schuld für nachgebende Praxisgewinne bei anderen zu suchen. Nicht bei den Patienten, die wegen der Praxisgebühr nicht mehr kommen oder sich wegen der neuen Festzuschussregelung nicht mehr versorgen lassen wollen oder können. Und auch nicht bei Politik und Kassen, die den wie immer völlig unschuldigen Zahnärzten das alles eingebrockt haben.
Wohl den Praxen, die auch in den fetten Jahren mit Blick auf das Patienteninteresse der Versuchung zum schnellen Profit nicht erlegen sind, sondern ihre Energien erfolgreich dafür eingesetzt haben, einen Ruf zu erwerben. Sie haben beizeiten vorgesorgt und bei ihren Patienten das notwendige Vertrauen erworben, das dafür sorgt, dass diese sie auch in schlechteren Zeiten aufsuchen, um sich weiterhin im Rahmen ihrer Mittel versorgen zu lassen. Denn auch das scheint sich noch nicht überall rumgesprochen zu haben, dass für die Mehrzahl der Patienten die Zeiten schon wesentlich länger schwieriger geworden sind als für Zahnärzte. Im mangelhaften Interesse an und in der Folge mangelhafter Kenntnisse in der Zahnerhaltung und in der mit dem Hang zum schnellen Profitdenken verbundenen zahnheilkundlichen Kurzsichtigkeit spiegeln sich das überentwickelte Eigen- und das unterentwickelte Patienteninteresse.
Gleiches gilt für die berufspolitischen Ansichten und Aktivitäten.
In die Zukunft zu schauen und mit Blick auf die Zahnerhaltung eine ausgewogene Gesundheitspolitik für Zahnärzte und Patienten zu machen, war noch nie eine hervorstechende Qualität zahnärztlicher Berufspolitik. Wenn wir die Kollegen in endlosen Diskussionen vor vielen Jahren, als ihre wenig professionellen Versuche begannen, die Zahnheilkunde aus der gesetzlichen Versicherung herauszulösen und zu privatisieren, auf die logischen Folgen ihrer frustranen und in hohem Maße rufschädigenden Bemühungen aufmerksam machten, war Unverständnis noch die harmloseste Ernte, die wir einfuhren. Durch den starrem Blick aufs Geld verblendet, glaubten sie tatsächlich, der Gesetzgeber müsse ihnen im Sinne von Marktwirtschaft nur erlauben, für ihre Arbeit verlangen zu können, was sie wollen, und schon würden die Patienten Schlange stehen, um mit ihrem mühsam verdienten Geld nach ihnen zu werfen. Als wir unseren sehr ausgewogenen Vorschlag für die Strukturreform 2000 präsentierten, wurden wir als Judas bezeichnet, der die Interessen der Zahnärzteschaft für Geld verkauft. Als wir in einer Diskussion argumentierten, dass eine Privatisierung nicht gelingen könne, weil die Gesellschaft nicht tolerieren würde, sich von einer Splittergruppe, wie sie die Zahnärzte nun einmal darstellen, gesundheitspolitisch erpressen zu lassen, und dass eine völlige Privatisierung weder im Interesse der erdrückenden Mehrzahl der Patienten sei, die sich dann die Zahnheilkunde ihres eigenen Landes nicht mehr leisten können würde, noch im in dem der erdrückenden Mehrzahl der Kollegen, da dann ein Drittel der Praxen aufgrund unzureichender Patientenfrequenz bei Überversorgung mit zahnärztlicher Dienstleistung insolvent werden würde, erhielten wir zur Antwort, dass die alle zahnärztlichen Probleme lösende Privatisierung nur deshalb nicht gelänge, weil „solche Arschlöcher wie Sie“ dagegen arbeiteten.
Wenn heute wegen solcher Lappalien wie Praxisgebühr und Festzuschüsse Rundfunkspots gesendet werden müssen, um die lange Zeit verachteten, gesetzlich versicherten Patienten mit hohem finanziellem Aufwand wenigstens wieder dazu zu bewegen, sich zahnärztlich untersuchen zu lassen, traut man seinen Ohren nicht. Und es wird deutlich, welcher Kelch an unserem Fachbereich und an der Mehrzahl der Kollegen vorüber gegangen ist. Wie düster hätte es wohl ausgesehen, wenn die Zahnheilkunde vollständig privatisiert worden wäre? Heute schreiben Zahnärzte Brandbriefe mit dem Ziel der Zurücknahme des den Patientenanteil für eine ordentliche Versorgung stark verteuernden Festzuschusssystems zur Rettung ihrer ruflosen Praxen, in denen deutlich wird, dass da nichts anderes brennt als der verlängerte Rücken derjenigen, die sie verfassen.
Keine Frage. Das Festzuschusssystem lässt genau so wenig Bezug zu einer state of the art-Zahnheilkunde erkennen wie die Reform der konservierenden Leistungsabrechnung kurze Zeit zuvor. Beide Reformen sind jedoch nicht mehr als der Spiegel des zahnheilkundlichen Know Hows derjenigen Kollegen, die beides verhandelt haben, und damit der Mehrzahl der Zahnärzte. Darüber hinaus ist das Festzuschusssystem zweifelsfrei viel zu kompliziert.
Dennoch erfüllt das neue System die wesentliche Forderung der verfassten Zahnärzteschaft. Denn endlich kann jeder Zahnarzt für seine Bemühungen im Prinzip den Preis verlangen, den er für angemessen hält. Das wollte doch die Mehrheit. Dass wie so unerträglich häufig die Rechnung ohne den Wirt gemacht und zahnärztlicherseits übersehen wurde, dass in letzter Konsequenz nicht der Zahnarzt, sondern der Geldbeutel des Patienten darüber entscheidet, welche Zahnheilkunde nachgefragt und gemacht wird, kann nun wirklich nicht einem Dritten in die Schuhe geschoben werden. Das ist nichts Neues, denn das war schon immer so. Neu ist lediglich, dass der Patient dafür jetzt einen höheren Eigenanteil zu bezahlen hat.
Marktwirtschaft in der Zahnheilkunde ist doch das, was die Zahnärzte gefordert haben. Und nicht mehr als ein klein wenig mehr Marktwirtschaft haben wir jetzt. Dafür, dass im Eifer übersehen wurde, dass Marktwirtschaft nicht ihre Aufgabe darin sieht, ein Schlaraffenland für Zahnärzte ohne Ruf zu schaffen, sind nur sie selbst verantwortlich. Zahnärzte mit Ruf leben seit jeher gut, und das wird sich auch nicht ändern. Die Idee der Marktwirtschaft ist eben keine zahnärztliche Einbahnstrasse zum persönlichen wirtschaftlichen Erfolg, wie sie zahllose Kollegen ganz offensichtlich missverstanden haben. Ihr Charme erklärt sich vielmehr dadurch, dass die Konkurrenz der Anbieter untereinander dafür sorgt, dass sie dem Verbraucher die gleiche Leistung auf Dauer zu einem geringeren Preis anbietet. Oder eben die qualitativ überlegene Leistung zu einem höheren Preis. Darüber, ob ihm die bessere Leistung den geforderten Preis wert ist, entscheidet allerdings allein der Verbraucher. Jetzt wird lediglich deutlich, dass es für die Mehrzahl der Zahnärzte nicht gut gehen kann, wenn sie allen Verbrauchern eine Zahnheilkunde anzudienen versucht, die sich nur eine Minderheit leisten kann. Diejenigen, die diese elementaren Zusammenhänge erst in dem Moment staunend begreifen, in dem ihre von ihnen selbst im Vergleich viel zu hoch eingeschätzte eigene Leistung zu dem von ihnen geforderten Preis nicht mehr nachgefragt wird, sollten nicht jammern, sondern vielmehr begreifen, dass sie noch einmal gerade mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Es ist menschlich verständlich, dass sie sich jetzt nach der warmen Nische zurücksehnen, in der sie lange Zeit besser als die Mehrzahl ihrer Patienten ge- und überlebt haben. Sie sind jetzt ziemlich spät dran und können sich nur damit trösten, dass sie bei einer vollständigen Privatisierung der Zahnheilkunde, also bei vollständig freier Marktwirtschaft so schnell vom Markt gefegt worden wären, wie sie gar nicht hätten schauen können. Ein Zurück wird es nicht geben. Ganz im Gegenteil.
Das bisschen Marktwirtschaft, dem sich die Zahnärzteschaft jetzt durch das Festzuschusssystem ausgesetzt sieht, gibt den im wahrsten Sinne betroffenen Kollegen vielmehr noch eine letzte Frist, sich auf das, was mit Sicherheit kommen wird, ernsthaft vorzubereiten, indem sie energisch an ihrem Ruf arbeiten. Entweder, sie verbessern die Qualität ihrer Leistung und überzeugen den Verbraucher gleichzeitig, dass sie ihm den jetzt zu zahlenden, höhere Preis auch wert ist. Oder sie werden sich den Gesetzen der Marktwirtschaft folgend gezwungen sehen, die qualitativ gleichbleibende Leistung zu einem günstigeren Preis anzubieten. In der freien Marktwirtschaft ist das kein Problem, wie man deutlich daran erkennen kann, dass Lidl und Aldi gerade in diesen Zeiten prosperieren und ihre Marktposition ausbauen. Noch deutlicher sieht man es an dem unverhohlenen Interesse der Implantathersteller, die Implantologie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Versicherer zu überführen. Wenn sie auch dadurch gezwungen wären, ihre Preise um ein Drittel zu reduzieren, würden sie dennoch ein glänzendes Geschäft machen, wenn sie dafür die doppelte Menge an Implantaten verkauften.
Man kann es auch an dem bei Zahnärzten so gerne bemühten Beispiel vom Golf und Mercedes verdeutlichen. Natürlich würde jeder Verbraucher den Mercedes wählen, wenn er denn vor die Wahl gestellt würde. Aber warum fahren dann nicht alle Mercedes? Ganz einfach. Es stellt sie niemand vor die Wahl. Unveränderbare Tatsache ist nämlich, dass die erdrückende Mehrzahl der Bewohner dieses unseres Landes froh wären, sich einen Golf leisten zu können.
Wir entschuldigen uns gerne bei allen, denen wir jetzt zu nahe getreten sind. Allein, wir können das anhaltende Gejammer nicht mehr hören.