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1. Fall

Sichere festsitzende Versorgung im Grenzbereich der Zahnerhaltung

2. Bericht

 

 

4. Termin, Montag,  11.02.2002

* erneute Beratung und Untersuchung; X38; 3. PAR-VB; vorläufiger KV für die private Versicherung

Bis jetzt läuft alles erfreulich normal. Lediglich in Regio 15 kommt beim Melken der Taschen noch etwas Pus. Besonders wichtig ist, dass die Patientin selbst eine deutliche Verbesserung ihres "Mundzustandes" bemerkt (geringere Lockerungsgrade, kein wesentliches Bluten mehr beim Zähneputzen, kein "ungutes Gefühl" mehr, wegen dem sie ja letztlich den Behandler gewechselt hat, usw.). Man muss immer danach fragen ("Merken Sie denn schon selbst eine Veränderung oder Verbesserung?"), wenn es auch manchmal frustrierend ist, um einen Feed-Back in Gang zu setzen. Je mehr die Patienten die Verbesserung unter der eingeschlagenen Therapie selbst bemerken, desto bereitwilliger werden sie sie konsequent durchführen und je mehr Vertrauen werden sie entwickeln, dass der geplante und eingeschlagene Weg der richtige ist.

Das haben wir es als Zahnärzte zum Glück gut, weil die Verbesserungen des eigenen Befindens initial in der Regel dramatisch sind (Schmerzen weg!). Das höchste Kompliment, das man  in der ärztlichen Allgemeinpraxis auf seine Nachfrage normalerweise als Antwort erwarten kann, ist: "Schlechter ist es nicht geworden, Herr Doktor!"....smile.... 

Mit den Interdentalbürstchen kommt sie gut zurecht und benutzt sie auch, was man leicht überprüfen kann.. Allein den Gebrauch zu erklären und zu demonstrieren bringt wenig. Man muss auch wirklich wollen, dass sie benutzt werden, überprüfen, ob dies auch tatsächlich der Fall ist und gegebenenfalls (zunächst vorsichtig, z.B. "falsche Technik") deutlich darauf hinweisen, dass man sehr wohl bemerkt, wenn das nicht der Fall ist. Einfach die Augen zu verschließen, um den Patienten möglichst nicht zu verärgern oder gar zu verlieren, macht keinen Sinn. Solch eine große festsitzende Arbeit im zahnerhaltenden Grenzbereich zu planen und zu machen, bedeutet ja gleichzeitig, eine große Verantwortung zu übernehmen und auch ein gewisses Risiko einzugehen. Das macht keinen Sinn, wenn der Patient nicht seinen absolut notwendigen Eigenanteil zum kalkulierbaren Erfolg leistet. Besser er geht jetzt, weil er uneinsichtig ist, als dass man nachher mit der fertigen, zum Misserfolg verurteilten Arbeit dasteht!

Wenn man sich noch nicht so sicher ist, besteht ja auch immer noch die (sehr gute) Alternative, die ganzen geplanten Vorbehandlungen (Kurretage, WF`s nach sorgfältiger Desinfektion, usw.) durchzuführen und in einem ersten Schritt für ein halbes oder ganzes Jahr ein laborgefertigtes Provisorium zu zementieren. Nach dem guten und bewährten Motto: "Let's see, what nature does!"

Mit der Schiene kommt sie auch gut klar und trägt sie nach eigenen Angaben sehr regelmäßig. Sie gibt an, sich auch untertags jetzt regelmäßig dabei zu erwischen, dass sie "mit zusammengebissenen Zähnen durchs Leben läuft". Wir hatten ihr erklärt, dass sie sich sorgfältig beobachten müsse, da dieses "Zähnepressen" ja ein unbewusstes Verhalten zum Stressabbau darstelle. Erleichtert wird dieses Feed-Back durch das Tragen der Schiene untertags. Mit der Schiene im Mund merkt man nämlich, wenn man zubeißt. Ein anderer Trick, dieses unbewusste Verhalten bewusst zu machen, ist ein Kaugummi-Kügelchen. Man macht sich eine Kugel und schiebt sie lediglich spielerisch zwischen den Zahnreihen hin und her ohne zu kauen. Jedes mal wenn man kaut, bemerkt man es dann und kann sich entspannen, indem man einmal tief durchatmet und dabei bewusst die Schultern und den Unterkiefer "hängen" lässt.. 

Sie bringt das OPT mit, das vor der offenen Kurretage aufgenommen wurde. Wie erwartet weicht der Befund kaum von dem ab, den wir erhoben haben. Das ist ja auch nicht verwunderlich. Solche gravierenden Befunde entstehen schließlich nicht in wenigen Monaten.

Die Lockerungsgrade haben sich deutlich vermindert. Es gibt jetzt keinen Zahn mehr, der einen höheren Lockerungsgrad als L=I/0 hat (24/26, 13), die anderen haben maximal L=0-1, einige sind schon ganz fest. Dabei ist bisher nur vorbehandelt worden!

Sie wird jetzt zunächst einmal den KV einreichen, um eventuelle Probleme mit der Versicherung abzuklären. Als nächsten Schritt planen wir die Entfernung der Brücke im 2. Quadranten, um die  Zähne 24 und 26 einmal einzeln stehend beurteilen zu können, anschließend WK von 23 , 24 (oder ex?) und 26, geschlossene Kurretage und provisorische Versorgung zur endgültigen Ruhigstellung.

Die Furkationsbeteiligung von 26 macht noch Sorgen. Der langfristige Erhalt nach dem deutlichen Rückgang des Lockerungsgrades eigentlich weniger. Die Anästhesie wird die Gelegenheit geben, diesen Zahn, der den Knackpunkt der ganzen Versorgung darstellt, sehr sorgfältig zu sondieren und zu kurretieren. Sollte sich dabei herausstellen, dass die interradikuläre Knochenauflösung deutlicher ausgeprägt ist als nach dem OPT zu vermuten, und/oder da dicke Beläge drin sind, und/oder gar Pus kommt, werden wir nicht zögern, im Sinne einer Hemisektion z.B. die mesio-vestibuläre Wurzel zu extrahieren. Wir halten das in einem solchen Fall für die Therapie der Wahl, weil es sich rein statisch gesehen (geplante großzügige Verblockung) um keinen nicht verschmerzbaren Verlust handelt, hygienetechnisch aber um einen absoluten Gewinn, da wir so mit sehr einfachen Mitteln einen putzfähigen Zugang zu diesem Bereich schaffen können! Es muss ja auch nicht zwangsläufig die mesio-vstibuläre Wurzel sein, sondern vielmehr die, die den größten Knochenabbau aufweist. Sollte allerdings die große palatinale Wurzel am stärksten geschädigt sein, was ja bei Pressern im OK nicht selten der Fall ist, muss man ernsthaft überlegen, ob man dem dann sehr schwachen Pfeiler nicht ein Implantat an die Seite stellen muss, um ihn zu unterstützen.

Im Moment ist die Situation die, dass man (fast) alle Zeit der Welt hat. Der Zustand ist zunächst deutlich stabilisiert. Es besteht kein Grund zur Hektik. Solange die Patientin ihre Interdental-Bürstchen konsequent benutzt, ihre Schiene konsequent trägt und untertags nicht mehr so häufig presst, wird sich der Zustand bis zu einem gewissen Grade auch ohne weitere Interventionen weiter verbessern. Mal sehen, was die Versicherung sagt.

 

3. Bericht

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