zurück/back
Fallbeispiel 49
Gemeinschaftspraxis
Dr. Martin Schärfe & Irini Schärfe
, Zahnärzte,
27374 Visselhövede, Süderstraße 40
, Tel .+ Fax: 04262-4343, e-mail: martin_schaerfe @ t-online.de, Visselhövede,
d. 31.05.2009
Leserbrief
zum Disput über die Endodontie
Wie
viele Engel passen auf eine Hedströmfeile?
Oder
Der
„Platinstandard“ als neuer Fachbegriff in der Zahnheilkunde
|
|
Messaufnahme im Juni 2005
(Klick!) |
Unmittelbar nach WF im Juli 2005 (Klick!) |
|
|
1. Verlaufskontrolle im Juni 2006
(Klick!) |
2. Verlaufskontrolle im Februar 2009
(Klick!) |
Die
Diskussion über die „einzig wahre Wurzelbehandlung“ wird immer dogmatischer
und ähnelt für mich inzwischen eher einem Glaubenskrieg als einem
wissenschaftlichen Disput.
Dabei besteht
doch eigentlich ein Konsens über die wesentlichen Punkte:
-
Das
Wurzelkanalsystem muss ausreichend gereinigt werden
-
Das
Wurzelkanalsystem muss desinfiziert werden
-
Das
Wurzelkanalsystem muss mit einer Füllung dicht verschlossen werden
-
Das
Wurzelkanalsystem muss dicht bleiben
Der
Streitpunkt liegt nicht darin, was zu erreichen ist, sondern darin wie es zu
erreichen ist.
Leider haben
sich die Hochschullehrer inzwischen von uns „Praktikern“ soweit abgekoppelt,
dass sie dogmatisch eine unnötig komplizierte Methode als „best practice“
verfechten und gebetsmühlenhaft behaupten dass es anders nicht gehen kann.
Dazu gehört
die zwanghafte Anwendung von Kofferdam (wenn’s nicht geht dann machen Sie doch
erstmal eine Aufbaufüllung), Arbeiten möglichst unter dem Mikroskop, dreißigminütiges
Spülen mit NaOCl, eine Einlage mit Ca(OH)2 und (je nach Hochschullehrer
unterschiedlich) eine ultimative (möglichst komplizierte) Methode zur Wurzelfüllung.
Das
wird dann als „Goldstandard“ bezeichnet.
Jedes
Mal, wenn ich „Goldstandard“ lese wird mir übel. Was für eine Anmaßung!
Den Beweis,
dass es auch anders funktioniert, liefern wir Praktiker täglich tausendfach
indem wir es erfolgreich anders machen.
Die vom
Kollegen Osswald als „Timbuktu-Methode“ bezeichnete Behandlung ist
keineswegs neu. Das „Timbuktu“ darin ist auch nicht abwertend gemeint,
sondern sollte nur ausdrücken, dass er damit zur Not auch in Timbuktu
erfolgreiche Wurzelbehandlungen machen könnte.
Wenn
er den Namen „Frankfurter Methode“ geprägt hätte, gäbe es wahrscheinlich
weniger Disput.
Ich
habe die Methode vor über 20 Jahren in meiner Assistenzzeit von meinem Chef
gelernt, der hatte sie in seiner Assistenzzeit von seinem Chef gelernt und der
wahrscheinlich von seinem.
Ja, ich gebe es
zu: ich verwende keinen Kofferdam, spüle mit H2O2 anstatt NaOCl, benutze CHKM für
die Kanaldesinfektion und mache die WF mit Guttaperchaspitzen und Endomethasone.
Ich mache also
nach der Vorstellung der Elfenbeinturmbewohner alles völlig und unsagbar falsch
und bin von Grund auf böse.
Ich
mache es allerdings unverschämt erfolgreich falsch.
Ich
erkläre deswegen hiermit alle meine Behandlungsweisen zum „Platinstandard“!
So. Das musste
mal gesagt werden.
An diesem Punkt
haben wir ein Patt erreicht.
Bevor die
Hochschullehrer jetzt zur Kreuzigung meiner Wenigkeit schreiten, wollen wir uns
kurz an die wissenschaftliche Methodik erinnern:
Wir
sind doch alle so evidence-based. Das bedeutet wir brauchen Statistiken und
Untersuchungen. Prospektiv, randomisiert und doppelblind wird in diesem Fall
nicht funktionieren, aber vielleicht retrospektiv?
Es existieren
in allen Praxen Aufzeichnungen über die Patientenbehandlungen, mit Röntgenbildern
und allem Klimbim. Die kann man doch auswerten.
Es gibt Doktoranden, die könnten das machen und hätten damit ein schönes,
praxisrelevantes Thema für ihre Promotion.
Meine
Patientenakten stehen zur Verfügung, die vom Kollegen Osswald sicher auch,
andere Freiwillige werden sich bestimmt finden. Ich kann gerne meinen ehemaligen
Chef fragen (der hätte auch gleich noch einen Doktoranden zu bieten).
Einen
Beobachtungszeitraum von 10-30 Jahren können wir leicht liefern, wenn Sie
vergleichbare Zeiträume zu bieten haben.
Also,
liebe Hochschullehrer, die Behauptung, dass Eure Methode besser ist als der
„Platinstandard“ reicht nicht. Ihr müsst das schon beweisen.
Das
ist in der Wissenschaft nun mal so.
Abschließend
noch ein Zitat von Leonardo da Vinci:
„Jeder, der
ein Streitgespräch führt, in dem er sich auf eine Autorität beruft, benutzt
nicht seinen
Intellekt; er benutzt nur sein Gedächtnis.“
Dr.
Martin Schärfe
P.S.
Schöne Grüße
an den Professor, bei dem ich neulich zur Fortbildung war:
Natriumhypochlorid
und Chlorhexidin vertragen sich nicht. Da fällt ein Niederschlag aus, von dem
ich irgendwo gelesen habe, er sei möglicherweise karzinogen.
Wenn man
Chlorhexidin mit Kalziumhydroxit mischt, verliert das Chlorhexidin aufgrund des
alkalischen pH-Wertes seine Wirkung. Desinfizierende Einlage mit dieser Mischung
macht also keinen Sinn. Vielleicht könnten Sie Ihren Goldstandard entsprechend
anpassen?
Trotzdem
schön, dass Ihre Wurzelbehandlungen so gut funktioniert haben!
nächster Fall
zurück/back
Home