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Schlafende Hunde wecken

In 2003 zeigt David Figdor in seiner Studie,  dass E. Faecalis auch unter extremen Bedingungen von Nahrungskarenz  in verschlossenen Wurzelkanälen in einem metabolisch ausgesprochen reduziertem Zustand überlebensfähig ist. Chavez de Paz hat in 2003 zweihundert Zähne mit periapikaler Ostitis nachuntersucht, wobei in mehr als 50% der Fälle (107 Zähne) Bakterien angezüchtet werden konnten. In einer Aufsehen erregenden in vivo-Untersuchung zeigten  Nair et al in 2005, dass in Wurzelkanälen von apikal beherdeten Zähnen, die nach dem sogenannten Goldstandard wurzelbehandelt worden waren, mit molekularbiologischen Nachweisverfahren in 88% der Fälle Bakterien nachzuweisen waren. 

Davon, einen schlafenden Hund zu wecken, spricht man, wenn man einen seit langer Zeit (in der Regel nicht besonders gut) wurzelgefüllten, beschwerdefreien Zahn ohne Revision behandelt, also beispielsweise überkront, und dieser dann in einem nicht allzu großen Abstand exazerbiert. Über solche Fälle kann jeder erfahrene Praktiker berichten, sie sind also gar nicht so selten.

Ausschnitt OPT im März 1989 (Klick!)

Damals haben wir den Patienten zum ersten Mal versorgt (WF an 26 und Kronen an 26 und 27). 27 war zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren insuffizient wurzelbehandelt. Damals waren wir noch nicht so weit und glaubten, man könne eine solche WF bei Beschwerdefreiheit ohne Risiko belassen.

Ausschnitt OPT im Februar 2004 (Klick!)

Dieses OPT wurde anlässlich einer Neuversorgung wegen einer rezidivierend abszedierenden Tasche zwischen 26 und 27 angefertigt. Die Hemisektion solcher relativ kurzen Wurzeln, die stark nach distal gehen, beseitigt ein solches Problem in der Regel zuverlässig. Die Krone an 27 war nach 15 Jahren keineswegs dezementiert, sondern dicht, ging schwer runter, und sowohl der Zement (Havard) als auch  Aufbau unter 27 (Ketac-cem) waren völlig trocken. Die Wurzelfüllung war im diagnostizierbaren Bereich unverändert fest. Ein koronales Leck schließen wir daher nach menschlichem Ermessen aus. Der Aufbau wurde nichtsdestotrotz entfernt und nach gründlicher Reinigung der Kavität (Anschleifen, H2O2) in SÄT mit Kunststoff erneuert. Obwohl wir inzwischen mit der Nichtrevison insuffizienter Wurzelfllungen trotz Beschwerdefreiheit schlechte Erfahrungen gemacht und unser Protokoll geändert haben, haben wir uns wegen der mindestens 20-jährigen Beschwerdefreiheit wieder einmal hinreißen lassen.

Ausschnitt OPT im Juli 2005 (Klick!)

Im Juli 2005 suchte uns der Patient mit einer dicken Backe auf. Wir sind jetzt mehr denn je davon überzeugt, dass bei solchen Zähnen ein subtiles Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr auf sehr niedrigem Niveau herrscht, das zu jedem Zeitpunkt zusammenbrechen kann (siehe auch: Microbiobielle Gründe für die Exacerbation der apikalen Ostitis von Siqueira JF). Auffällig ist, dass die Exazerbation häufig in einem relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Manipulation an dem betreffenden Zahn erfolgt. Es können aber sicher auch zufällige andere Gründe eine Rolle spielen, wie z.B. eine schlechte Immunsituation wegen einer belastenden Erkrankung (scheidet in diesem Fall aus) oder wegen Stress aus welchem Grunde auch immer (das wäre in diesem Falle denkbar). Möglicherweise spielt auch der plötzliche Kontakt mit Sauerstoff eine Rolle. Immerhin handelt es sich ja zumindest teilweise um fakultativ anaerobe Keime. 

Nächster Fall

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