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Modifizierte teleskopierende Versorgung im desolaten Restgebiss

3. Bericht

5. Sitzung am 15. July 2002 (14 Tage später)

WF an allen Zähnen. Die Patientin hatte sich zwischenzeitlich nicht einmal wegen Beschwerden vorgestellt und ist auch jetzt völlig beschwerdefrei.

In der Vergrößerung (Klick!) sieht man deutlich, dass auch die Wurzelfüllungen der nur schwer durchgängigen, obliterierten Kanäle der Zweier bis zum Apex reichen.

Wachseinprobe

Das Primärteil ist in allen Bereichen für die Reinigung mit Interdentalbürstchen zugänglich (Klick!).

Sekundärteil auf dem Modell. Beachten Sie die Rückenschutzplatte (Klick!)

6. Sitzung am 16. Juli 2002  (Folgetag)

Einprobe der fertiggestellten kombiniert festsitzend/herausnehmbaren Versorgung, Zementieren, Abnehmen, Säubern, Eingliedern, Okklusionskontrolle.

Die Patientin ist völlig beschwerdefrei. Insbesondere sind die definitiv wurzelgefüllten Zähne weder klopfempfindlich noch vestibulär über den Wurzelspitzen druckdolent. Das ist das Bestechende an der Timbuktu-Methode, dass man nämlich nach sorgfältiger Desinfektion und anschließend symptomloser Probe-WF mit Calxyl über einige Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Überraschungen nach der definitiven Wurzelfüllung erlebt. Diese Voraussagbarkeit des endodontischen Erfolges auch in endodontischen Problemfällen macht eine solche komplexe Versorgung in so kurzer Zeit in so wenigen Sitzungen überhaupt erst möglich. 

Da wir in diesem Falle aufgrund der sehr stabilen Pfeiler- und Kieferkamm-Situation auf eine Gaumenplatte oder eine Stegverbindung verzichtet haben, sind die Sättel palatinal und vestibulär extendiert (Klick!).

Primärteil in situ unmittelbar vorm Zementieren. Das Zahnfleisch ist aufgrund der langen Tragedauer des Provisoriums etwas geschwollen (Klick!).

Fertige Arbeit in situ ca. 1 Stunde nach Zementieren und Reinigung. Das Zahnfleisch ist aufgrund der Manipulationen ein wenig gereizt und geschwollen (Klick!).

Nach dem Zementieren der Restauration bleibt die Patientin ca. 1/2 Stunde in der Praxis, wobei sie auf Watterollen beißt. Anschließend wir sie aufgefordert, eine Stunde lang Spazieren zu gehen. Danach wird sie Restauration durch uns vorsichtig entfernt, gereinigt und wieder eingesetzt. Die Arbeit gleitet hinein, wie eine Tresortüre in den Tresor, wir haben einen tollen Techniker! Anschließend erfolgt die Okklusionskontrolle mit Artikulationspapier. Die Patientin wird instruiert, die Arbeit bis zum nächsten Tag in situ zu lassen, sich nur ganz normal die Zähne zu putzen und erst beim nächsten Frühstück kraftvoll zuzubeißen..

7. Sitzung am 16. Juli 2002  (Folgetag)

Okklusionskontrolle, Üben rein-raus, Hygiene-Instruktionen (Interdentalbürstchen, Superfloss) und -Übungen.

Die Reizungen und Schwellungen des Zahnfleisches sind schon am Kontrolltermin am nächsten Tag rückläufig. Die Folgen der ausgedehnten Manipulationen werden innerhalb weniger Tage vollständig abheilen (Klick!).

Obwohl die Arbeit im eingegliederten Zustand wie festsitzend sitzt, kann die Patientin sie zwar noch etwas umständlich bereits beim ersten Versuch entfernen und wieder eingliedern. Sie berichtet lediglich über die üblichen Zeichen der Ungewohntheit, die mit dem plötzlichen Gewinn an Zähnen verbunden sind. Die Lautbildung ist für diese kurze Zeitspanne nach Eingliederung akzeptabel. Ihr wird aufgegeben, diese durch Übungen (lautes Vorlesen zu Hause) insbesondere der S-Laute zu normalisieren. Ausdrücklich wird ihr vermittelt, dass minimal 2 Verlaufskontrollen pro Jahr und wegen der Hebelkräfte mindestens 1 jährliche Unterfütterung erforderlich sind. Dies um so mehr als wir in Ihrem Fall auf eine palatinale Verbindung oder gar eine Gaumenplatte verzischtet haben. Sie wird nochmals darüber unterrichtet, dass jetzt sehr wenige Pfeiler die Kräfte einer vollständigen Bezahnung aufnehmen müssen, was bedeutet, dass sie ihre Essgewohnheiten darauf abstimmen muss.  

Da sie am Folgetag für 3 Wochen (Italien) in den Urlaub fährt, wird ein abschließender Kontrolltermin  nach ihrer Rückkehr vereinbart. Für den Fall, dass sie die Arbeit im Urlaub irgendwann einmal nicht selbstständig entfernen kann (was nicht zu erwarten ist, wenn sie sie bereits beim ersten Versuch ohen wesentliche Probleme selbstständig ausgliedern konnte), wird sie instruiert, sie bis zu ihrer Rückkehr in situ zu belassen und sich ledigliech sehr intensiv die Zähne zu putzen. Sie wird darüber aufgeklärt, dass die einzige denkbare Komplikation, die sie zum Aufsuchen eines Kollegen veranlassen sollte, in der unwahrscheinlichen, schmerzhaften Exazerbation einer der bisher völlig beschwerdefreien Wurzelfüllungen begründet sein könnte. In diesem Fall solle sie sich ein Antibiotikum verordnen lassen und, falls dieses nicht anschlage, aus dem Urlaub zurückkehren, um sich einer WSR zu unterziehen. Italien ist schließlich nicht aus der Welt.

Abschließende Würdigung:

Folgende Argumente werden im Wesentlichen gegen diese  modifizierte Form der Versorgung vorgebracht:

1. Eine primäre Verblockung ist kontraindiziert. Diese Einstellung gründet auf einem Dogma, das in Zeiten formuliert wurde, in denen man in Deutschland in weiten Kreisen über die Segnungen und die Rolle der Mundhygiene in der Parodontologie noch nicht ausreichend informiert war. Richtig ist vielmehr, dass das nicht verblockt werden sollte, was nicht verblockt werden braucht, dass jedoch das verblockt werden sollte, was verblockt werden muss, um die erforderliche Stabilität zu gewährleisten (Inhalt Funktionstherapie). Je weniger Pfeiler vorhanden sind und desto schwächer sie sind, desto großzügiger muss verblockt werden, um die Belastung des einzelnen Pfeilers möglichst gering zu halten, insbesondere bei schlechten Angewohnheiten.. Gerade Stegverbindungen erleben nach Aussage namhafter Prothetiker aus der Schweiz eine Renaissance. Darüber hinaus kann das, was für implantatgetragene Stegkonstruktionen gut ist, nicht für natürliche Zähne schlecht sein. Auf eine parodontalhygienisch korrekte Gestaltung muss jedoch Wert gelegt werden. Noch mehr Wert sollte darauf gelegt werden, dass die Patienten, denen man eine solche Versorgung anbietet, wirklich verstanden haben, dass es "Mathäus am Letzten" ist und in der Folge die Pflichten verinnerlicht haben, die sie selbst zu erfüllen haben, um den langfristigen Erhalt der prothetischen Versorgung ihres desolaten Restzahnbestandes zu gewährleisten. Das kann man nicht deutlich genug zum Ausdruck bringen und oft genug wiederholen.

2.Die primäre Verblockung insbesondere über Stege erschwert die Reinigung. Genau das Gegenteil ist der Fall. Einzel-Telekope, insbesondere wenn sie nicht sehr nahe zusammen stehen, sind im mesialen und distalen Bereich sehr viel schwieriger zu reinigen, weil das Interdentalbürstchen keinen kontralateralen Widerstand findet. Durch eine konkave Aussparung der Stege, unmittelbar an ihrer Verbindungsstelle zum Teleskop ist jedoch gewährleistet, dass das Interdentalbürstchen auf beiden Seiten diesen notwendigen Widerstand findet, sodass die Teleskope interdental besonders gut gereinigt werden können. 

3. Die Friktionsfläche wird verkleinert. Genau das Gegenteil ist der Fall. Durch die parallel gefrästen Stege wird die Friktionsfläche vielmehr ziemlich vergrößert. Dies hat zur Folge, dass die Friktion pro Flächeneinheit geringer ausgeführt werden kann. Das führt dazu, dass die Arbeit hineingleitet wie eine Tresortüre in den Tresor und auch wesentlich leichter zu entfernen ist. Das ständige Genackel an den Einzelteleskopen bei der Aus- und Eingliederung entfällt durch die primäre Verblockung und die reduzierten Abzugskräfte pro Flächeneinheit völlig.

4. Diese Arbeit ist schwerer zu erweitern. Das ist falsch. Die Arbeit lässt sich wie jede andere telekopierende Versorgung nach einfachem Durchtrennen der Verblockung an jeder beliebigen Stelle erweitern. Gefährdet sind ja die endständigen Pfeiler in besonderem Maße. Gerade hier wirkt sich die primäre Verblockung mit der Verteilung der auftretenden Kräfte besonders positiv aus. Im Gegenteil, beim Ausfall eines endständigen Pfeilers sind die Restpfeiler immer noch stabil verblockt, der Ausfall eines Pfeilers wird sich also weniger schnell und in einem geringen Umfang negativ auswirken. Insgesamt ist diese Versorgung aber darauf angelegt, Erweiterungen möglichst zu vermeiden. Wir fertigen solche Arbeiten seit nunmehr ca. 6 Jahren an und haben Fälle mit wirklich desolater Pfeilersituation in dieser Weise versorgt. Wirklich desolate, auf den ersten Blick hoffnungslose Situationen haben uns ja erst auf die Idee gebracht (Inhalt Funktionstherapie). Nichtsdestotrotz haben wir seitdem nicht eine einzige Erweiterung vornehmen müssen.

 

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