Anatomie
Ein wenig müssen wir Sie allerdings quälen. Ehrlich, wir würden es nicht tun, wenn es für das medizinische Verständnis nicht so ausgesprochen wichtig wäre. Die anatomischen Kenntnisse sind die Basis jeglicher Therapie: „Ein Chirurg ohne Kenntnisse der Anatomie ist wie ein Maulwurf“, sagt man, "Er arbeitet im Dunkeln und schafft Hügel".
Im Bereich des Kehlkopfeinganges bilden Abspaltungen der Muskeln des Stellapparates eine Art Sphinkter (Schließmuskel), der jedoch nur unvollständig geeignet ist, einen mechanischen Schutz der Stimmritze zu bewirken.
Viel wichtiger sind in diesem Hinblick die Muskeln, die in der Lage sind, durch „Heraufziehen von Zungenbein und Kehlkopf unter den Zungengrund“ den Kehldeckel passiv zu senken und den Kehldeckel zu schließen, um die Stimmbänder zu schützen und Sorge zu tragen, dass beim Schlucken keine Speise in die Luftröhre gerät. Dies ist insbesondere der M. thyrohyoideus, der zwischen Kehlkopf und Zungenbein liegt und die Muskeln, die zwischen Zungenbein und Unterkiefer liegen (M.digastricus, M. biventer).
Kehlkopf- und Zungenbeinmuskulatur |
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Warum erzählen wir Ihnen das?
Beim Schlucken hätte man theoretisch
eine Wahl. Man hat sie zum Glück aber nicht, weil alles automatisch,
Die Natur hat sich selbstverständlich für die zweite Variante entschieden. Man fixiert also über die Mundschließer (M. masseter, M. temporalis) den Unterkiefer am Oberkiefer, die Zungenbeinmuskulatur und in der Folge die Kehldeckelmuskulatur finden ihr Widerlager und können sich kontrahieren. Man schluckt, und gleichzeitig werden Zungenbein und Kehlkopf unter den Zungengrund heraufgezogen, der Kehldeckel schließt sich und die Nahrung landet nicht in der Lunge sondern im Magen, wo sie ja hin soll.
Beim Schlucken passiert aber noch etwas anderes. Jedes mal, wenn Mensch beim Schlucken in die Schlussbissstellung geht und so Zahnkontakt hergestellt, zentriert das Gehirn die Kaumuskeln und stellt den Tonus der Muskulatur so ein, dass man immer wieder automatisch in diese Schlussbildstellung findet.
a) Einmal, um bei Gefahr (z.B. Hinfallen) blitzschnell und automatisch in die Schlussbissstellung gelangen zu können, um so nicht schmerzhaft und unkontrolliert auf irgendwelche Höcker zu knallen, und dadurch die Zähne vor Trauma zu schützen (sicherste Stellung) und
b)
Um trotz möglicherweise vorhandener okklusaler Hindernisse
(z.B. gekippter Zahn mit Frühkontakt) leicht und automatisch in die
Schlussbissstellung zu gelangen, ohne immer wieder (in der Folge) schmerzhaft auf den Fehlkontakt zu
knallen.
Jetzt merken Sie sicher, worauf wir hinaus wollen.
Wer schon einmal einen vom Patienten bisher unbemerkten Fehlkontakt eingeschliffen hat, weil er ihn an pathologischen Veränderungen am Zahn oder Parodont erkannt hat, wird bemerkt haben, dass der Patient, wenn man ihn fragt, ob das jetzt angenehmer sei als vor dem Einschleifen, „ja, viel angenehmer, flächiger“, antwortet.
Er hat also den Fehlkontakt vorher gar nicht bemerkt.
Schneidekante an 12 ausgeschliffen, Fraktur an 11 unfallbedingt | Bei der Laterotrusion führt der Zweier mit. Die ausgeschliffene Ecke passt perfekt zu 42 | Zustand nach Korrektur mit Scheibchen. Relativierung der Macke an 12, Kürzung von 42: funktioneller und ästhetischer Gewinn. |
Nachdem wir diesen Patienten eingeschliffen hatten, wobei sich als Zugabe gleichzeitig noch eine kleine ästhetische Verbesserung ergab (verlängerter 42 zurück in die Lachlinie, Macke am 12 relativiert), die er freudig begrüßte, bemerkte er erst, das das Hindernis weg war.
Beim Rasieren gesehen hatte er die Macke schon. Er hatte sie aber für unfallbedingt gehalten, genau wie die am 11, den er sich beim Skifahren verletzt hatte.
Solche Befunde bemerken wir heute „auf den ersten Blick“. Das war aber nicht immer so. Man kann dieses „Sehen“ jedoch lernen, wenn man weiß, welche klinischen Befunde zu welchen Fehl- oder Frühkontakten gehören. Man muss nur genau und bewusst und immer wieder hinschauen. Irgendwann geht es in Fleisch und Blut über.
Wie wichtig es ist, solche Hindernisse möglichst früh zu bemerken und zu beseitigen, versteht man, wenn man einmal in der Vergrößerung genau auf den Zahnhals von 12 schaut: MacCall Girlanden und eine beginnende Rezession.
Das war jetzt nur ein kleiner Vorgeschmack. Fehl- und Frühkontakte haben aber noch weitere, schwerwiegendere Folgen, wie wir im weiteren Verlauf anhand anderer Beispiele „Sehen“ lernen werden.
Und schon sind wir wieder beim Hirn und beim "Zentrieren".......
Der Assi fragt den Chirurgen, der im Dunkeln werkelt: „Herr Chefarzt, wie heißt denn die Arterie da?“ „Keine Ahnung“, antwortet der, „die ist da immer!“
Wir werden Ihnen jetzt ein Bild entwerfen, das sicher noch nicht jeder gesehen oder unter diesem Blickwinkel betrachtet hat. Es ist dabei nicht wesentlich, ob wir es völlig richtig zeichnen. Viele Dinge befinden sich ja in einem ständigen Fluss und sind noch nicht völlig geklärt.
Wichtig ist, dass Ihnen mit diesem Bild, wenn Sie es denn an- oder hinnehmen, zukünftig ein funktionierendes Erklärungsmodell für die Mehrzahl der Fälle zu Verfügung stehen wird, in denen Knirschen und Pressen mit den ihnen eigenen zerstörerischen Wirkungen im menschlichen Gebiss eine wesentliche Rolle spielt.
Lassen Sie sich also fallen und lesen Sie sorgfältig. Dem einen oder anderen wird das nächste Kapitel vielleicht zunächst etwas langweilig vorkommen. Lesen und internalisieren Sie es trotzdem. Es wird für Ihre Patienten, ihre Praxis, Sie selbst und nicht zuletzt für Ihren Ruf als Arzt für Zahnheilkunde von Vorteil sein.
Und...........Sie werden sich einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung vor Ihren Mitbewerbern sichern!