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Dokumentation 24

 

artikulator (Nr. 74, zur APW-Tagung
Ende 2001 in Heidelberg):

Prof. Dr. HÜLSMANN,

Universität Göttingen, Abteilung für Zahnerhaltung:

Endodontie ist unterbezahlt, aber bei ausreichender Bezahlung muss auch für
bessere Qualität gesorgt werden.

Für den Bereich "Endodontie" äußerte sich Prof. HÜLSMANN schon einleitend klar
und deutlich. Auch wenn die Datenlage unzureichend sei, ließen sich aus
vorhandenen Studien, wenn auch mit gebotener Vorsicht, durchaus Tendenzen
ablesen: So seien Überversorgungen in der Endodontie selten anzutreffen. Eher
müsse man in der Bevölkerung insgesamt wie in vielen Einzelfällen "deutliche
Unterversorgungen" registrieren. Fehlversorgungen seien besonders "im Bereich
der Prozessqualilät" zu verzeichnen.
Zum Beleg seiner Einschätzungen führte er Studien an, die zum Teil einen recht
langen Zeitraum überschauen. In eigenen Untersuchungen habe er auf
Röntgenübersichtsaufnahmen von erwachsenen Neupatienten an den vorhandenen
Zähnen zwischen 1,5 Prozent (1976) und 2,1 Prozent (1993) apikale Ostitiden
gefunden. Der endodontische Bedarf sei also immer noch groß und noch
keinesfalls gedeckt.
Daneben gäbe es Hinweise darauf, dass immer noch viele Zähne zur Extraktion
gelangten, die endodontisch erhalten werden könnten. Immerhin habe sich aber
die Rate zwischen Wurzelfüllungen und Extraktionen von 1,0 zu 5,5 im Jahr 1970
auf 1,0 zu 1,7 im Jahr 1999 verändert. Bemerkenswert sei aber eine deutliche
Diskrepanz zwischen der Anzahl der Wurzelkanalaufbereitungen und der
Wurzelfüllungen. So seien 1999 rund zwei Millionen Wurzelkanäle nicht abgefüllt
worden.
Mit Wurzelfüllungen seien zwischen 2,7 (1976) bis 4,6 Prozent (1993) der Zähne
versorgt gewesen, ein Anteil der uns "allenfalls im europäischen Mittelfeld"
platzieren würde. Besonders bedenklich sei allerdings die Tatsache zu werten,
dass die Zähne mit erkennbarer Wurzelbehandlung zwischen 22 und 40 Prozent
apikale Ostitiden, also Entzündungen an der Wurzelspitze, als Ausdruck
unzureichender Erfolge aufweisen würden.
Einen Revisionsbedarf als Ausdruck von Fehlversorgungen habe er in 13 bis 75
Prozent der wurzelbehandelten Zähne feststellen müssen, was im europäischen
Vergleich als ein besonders schlechtes Ergebnis anzusehen sei.
Bei Untersuchungen in Zahnarztpraxen sei festgestellt worden, dass die
Wurzelfüllungen in 3,6 Prozent der betroffenen Zähne zu lang, in 50 Prozent der
Zähne zu kurz und in 50 Prozent röntgenologisch als undicht zu bewerten waren.
In einer anderen Untersuchung seien 75 Prozent als endodontisch
behandlungsbedürftig eingeschätzte Zähne auch zwölf Monate später noch nicht
behandelt gewesen.
Da wundere es nicht, dass die Verweildauer von Zähnen mit Wurzelfüllungen laut
einer Betriebskrankenkassenstudie bereits nach drei Jahren auf 81 Prozent
abnähme. Die Erfolgsquote könne nach mehreren Studienergebnissen in Deutschland
mit maximal 50 Prozent angenommen werden, was deutlich schlechter ausfiele als
dieses notwendig sei.
In Frage zu stellen sei schon die Diagnostik, wenn nur in 50 bis 60 Prozent der
Behandlungsfälle Eingangsröntgenaufnahmen vorliegen würden. Allerdings hätten
Messaufnahmen in den letzten Jahren zugenommen. Kofferdam werde einer
Befragungsstudie bei deutschen Zahnärzten aus dem Jahre 1999 zufolge bei
Wurzelbehandlungen nur von 8,6 Prozent der Zahnärzte regelmäßig, von 39 Prozent
nie und von 54 Prozent der Zahnärzte nur gelegentlich angewendet.
Bedenklich stimme, dass die fachlich heute abzulehnenden Devitalisierungen nach
der BEMA-Position "Dev" im Jahre 1999 immer noch in 658.000 Fällen durchgeführt
wurden, die ebenfalls obsoleten Mortalainputationen ("MoA") in 96.300 Fällen.
Mit Sicherheit hätten die Zahnärzte in Deutschland die Wurzelbehandlungen in den
letzten Dekaden wieder verstärkt in ihr Angebot aufgenommen. In den Achtziger
Jahren seien die Zahlen stark angestiegen, seit Mitte/Ende der neunziger
stagnierten sie jedoch oder gingen sogar leicht zurück, was aber auch mit den
Rahmenbedingungen zusammenhängen könne.
HÜLSMANN schlussfolgerte, dass immer noch Unterversorgungen zu überwinden und
Diagnostik und Therapie in der Endodontie unbedingt zu verbessern seien.
Selbstverständlich sei ein ordentliches Honorar erforderlich, dass man sich
allerdings auch durch Qualität verdienen müsse. Dazu zeigte er einen netten
Comic, bei dem ein Patient die Rechnung seines Zahnarztes mit den Worte
kommentiert: "Root channel? You charged me for the Suez-Channel!".

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