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 Protokoll

 

1. Wie viele med’s sind bei den einzelnen Schritten (bedingt offen, zu) notwendig? Ich riskiere es oft, den Zahn nach gründlicher Reinigung/Aufbereitung (z. B. bei Revisionen) gleich zu verschließen. 

Das mache ich abhängig von der Klinik. Ich verschließe auch oft nach dem Aufbereiten mit Ledermix, Watte, Cavit, um zu beruhigen und quasi als Test, bei Zähnen, bei denen ich meine, es seinen astreine VitE's. Wenn es gut geht, dann am nächsten Tag CHKM, Watte, Cavit für eine Woche, usw., also insgesamt 4 Sitzungen, ansonsten eben Ledermix, bedingt offen oder CHKM bedingt offen, je nach Klinik.

Bei anderen Zähnen (perkussions-schmerzhaft, vital) mache ich Ledermix, bedingt offen. Wenn sie dann am nächsten Tag nicht klopfschmerzhaft sind, dann gleich CHKM, Watte, Cavit, wenn klopfschmerzhaft dann CHKM bedingt offen.

Bei anderen Zähnen von Anfang an CHKM, bedingt offen (devital, unzweifelhafte Gangrän, stinkig).

Ich glaube nicht, dass man für das Vorgehen ein absolut exaktes Protokoll liefern kann, sondern denke vielmehr, dass man mit der Zeit (durch try and error) ein Gefühl dafür entwickeln muss, welches bei welchem Zahn das richtige Procedere ist. Sich im Laufe der Zeit so wenig zu täuschen wie möglich, ist dann halt das, was man die ärztliche Kunst nennt. Die richtige Einschätzung der Klinik zeigt den richtigen Weg. Das Tolle an der Methode ist ja, dass man -sollte man sich getäuscht haben- nur einen einzigen kleinen Schritt zurück gehen muss, ohne dass man nur schwierig Korrigierbares angerichtet hat, wie z.B. eine zu frühe WF, die man dann mühsam revidieren oder wurzelresizieren muss.

Wenn man allerdings aufgefordert ist, ein für jeden Fall immer funktionierendes Protokoll anzugeben, dann bleibt einem nicht anderes übrig als folgenden starren Weg anzugeben: Ledermix, bedingt offen, dann CHKM, bedingt offen, dann CHKM, Watte, Cavit für eine Woche, dann CaOH2, Watte, Zement für 4 Wochen, dann WF.....

Falsch ist sicher das, was einige Anwender behaupten, dass der Schritt CaOH2, Watte, Zement für 2-4 Wochen überflüssig ist. Ich habe schon (nicht gerade seltene) Fälle gesehen, in denen ich an diesem Punkt war und dann zurück gehen musste. In der Folge bin ich mir sicher, dass diese Anwender Fälle sehen werden, bei denen sie anschließend revidieren oder resizieren werden. Ich sehe dabei CaOH2 nicht so sehr als Desinfizienz an sich, sondern als desinfizierende Paste, die die WF simuliert und zeigt, ob bei einem wirklichen dichten,  pastösen Verschluss die zwischenzeitlich eingetretene Beschwerdefreiheit persistiert.

2. Viele Patienten reagieren erschrocken, wenn sie hören, dass viele Sitzungen nötig sind. So versuche ich, einen Schritt zu überspringen.

Was die Patienten gerne möchten ist sicher beachtenswert,  jedoch im Sinne von Heilung  primär erst einmal sekundär. Sie sind der Arzt. Und es kommt doch viel mehr darauf an, was Sie als behandelnder Arzt erreichen möchten. Sind Sie mit den 80%, die die Gurus versprechen zufrieden? Wollen Sie dabei die Notwendigkeit späterer Resektionen billigend in Kauf nehmen? Oder wollen Sie bei deutlich ausgeweiteter Indikationsstellung die Nähe von 100% erreichen? 

Wenn man die Patienten über die möglichen Konsequenzen von Eile und beispielsweise die schlechten Langzeit-Erfolgsquoten der WSR (nur 50% Langzeiterfolg, von den Malläsen, die damit verbunden sind, ganz zu schweigen) aufklärt, dann sind sie schon weniger ungeduldig. Man muss Ihnen nur deutlich machen, dass solche Befunde nicht innerhalb kurzer Zeit entstanden sind, sondern sich über einen längeren Zeitraum entwickelt haben. In der Folge können sie nicht erwarten, dass die Ausheilung innerhalb weniger Tage und ganz weniger Behandlungen erfolgt. Man muss sich vergegenwärtigen, dass ein apikaler Prozess nichts anderes ist als eine milde oder beginnende Form der Osteomyelitis. Eine Osteomyelitis  heilt aber nicht so einfach und schnell aus. Sie zählt vielmehr zurecht zu den gefürchtetsten und therapieresistentesten Komplikationen in der Knochenchirurgie. Aber überspringen Sie doch ruhig, wenn Sie aufgrund der Klinik meinen, man könne es riskieren. Nur so können Sie das notwendige Gefühl entwickeln. Solange Sie keine WF machen, können Sie jederzeit zurück gehen, und der Patient wird schon kommen, wenn er Beschwerden hat. Auf keinen Fall würde ich jedoch den Schritt CHKM, Watte, Cavit für eine Woche auslassen.

Interessant wird es ja erst bei den Zähnen, die sich widersetzten, will heißen, bei denen die Schmerzen lange andauernd bleiben. Das sind meist diejenigen, die eine lange Schmerzanamnese haben, immer mal wieder gesponnen haben, aber nie so richtig hochgegangen sind. Dann wird es spannend, wer die dickeren Nerven hat, das durchzustehen und die WSR zu vermeiden. Wenn man die Patienten vor die Wahl stellt, Geduld zu entwickeln oder sich resizieren zu lassen, entscheidet sich die erdrückende Mehrzahl für Geduld. Da kommt es dann auf breite Schultern und das Wissen um den letztlichen Erfolg an, um das zusammen mit dem Patienten durchzustehen. Das sind die wenigen Fälle, in denen wir dann auch ein Antibiotikum geben.

3. Resezieren Sie nie?

Eigene WF's praktisch nicht. Wir haben inzwischen sogar die Erfahrung gemacht, dass bei den seltenen Zähnen, die wir nicht ruhig genug für die WF bekommen, die WSR in der Regel auch nicht langfristig erfolgreich ist.  

4. Wie verfahren Sie bei Zähnen mit WF alio loco und apikaler Aufhellung? Revision + Timbuktu ohne WSR?

Ja, immer öfter. Ich traue da fast keinem mehr seit ich die hochgegangenen Guru-Endos gesehen und ausgeheilt habe. Es sei denn, die WF ist schon ewig drinnen. Kann man ja röntgenologisch nicht unterscheiden, ob das ein bindegewebig ausgeheilter ehemaliger Herd ist oder ein aktiver. Hängt auch davon ab, wie wichtig der Zahn ist und was ich da dran hängen möchte.

5. Ab wann ist die Verblockung bei Endo-Paro-Läsionen nötig? Verblocken Sie einen so gelockerten Zahn nach der VitE oder nach der WF?

Na ja. Erst einmal sollte der Zahn durch die endodontische Behandlung und außer Kontakt Stellen schon einmal praktisch fest werden (max. L=0-I). Primär Verblocken tue ich den erst innerhalb der prothetischen Versorgung, wobei das eine mit dem andern ja häufig Hand in Hand geht. Hilfreich ist bei geplanter Prothetik die frühe primäre Verblockung über ein Provisorium, das leicht herauszunehmen ist, oder in das man ein Loch macht. Dann kann man in Ruhe seine Med's machen und zuschauen, wie der Zahn fest wird. Das Ruhigstellen ist ja nicht umsonst seit Menschengedenken das Mittel der Wahl bei Erkrankung.

6. Wie sieht die Verblockung aus, wenn beispielsweise ein Zahn bei PA deutlich stärker gelockert ist als die anderen, aber kein prothetischer Überkronungsbedarf besteht?

Durch Einschleifen entlasten und adustierte Aufbiss-Schiene. Die braucht der eh.

7. Beobachten Sie unter den von Ihnen gezeigten großen verblockten Arbeiten mit den vielen wurzelgefüllten Zähnen (oft mit Stiftaufbau) keine Komplikationen durch Frakturen? 

Die Verblockung ist die beste und einzige Prophylaxe der Fraktur. Frakturen gibt es praktisch nur bei stiftversorgten Einzelkronen oder bei endständigen Pfeilern und Freiend-Brückenglied. Wenn ich z.B. einen Zahn mit Stift erhalte, der nur noch aus Wurzel besteht, dann überkrone ich den Nachbarzahn (als Bedingung) und verblocke (häufig hat der ja zum Glück eine große Füllung, wenn es mit dem andern schon so weit ist, passiert ja eher selten in einem füllungsfreien Gebiss). Ist immer noch die bessere Alternative zur Brücke oder zum Implantat. Wenn es keine Möglichkeit zur Verblockung gibt (gesunde Nachbarzähne), dann nehme ich den Zahn deutlich außer Okklusion und gestalte ihn extrem abrasiv, damit er deutlich weniger Belastung bekommt als die Nachbarzähne. Man darf nicht vergessen, dass erfolgreich wurzelbehandelte Zähne die Tendenz zur Ankylosierung entwickeln, also einen wesentlichen Teil ihrer Eigenbeweglichkeit einbüßen. Das hat zur Folge, dass sie bei Belastung deutlich weniger einsinken als ihre nicht wurzelbehandelten Nachbarzähne, die ja solange einsinken bis ihre Sharpey'schen Fasern vollständig gespannt sind. Das hat zur Folge, dass der wurzelbehandelte Zahn beim Kauvorgang mehr Krafteinwirkung abbekommt: der schwächste Pfeiler bekommt den meisten Druck! Das ist in meinen Augen der wesentliche Grund, warum so viel über Frakturen wurzelgefüllter Zähne berichtet wird. Auf der anderen Seite stellen Wurzelstifte einen wesentlichen Grund für Komplikationen dar, man sollte sie -ausreichend Zahnsubstanz vorausgesetzt- deshalb vermeiden, wo es geht und lieber eine Aufbaufüllung in SÄT machen.  In jedem Fall auch bei konfektionieren Stiften Kunststoffaufbau in Sät und chirurgische Kronenverlängerung, damit die Krone auch bei tiefer Fraktur deutlich auf Zahn sitzt.

8. M. E. stellt das bei großen Verblockungen ein nicht kalkulierbares Risiko dar, was mich auch bisher von der Anfertigung einer solchen Konstruktion abgehalten hat.

Unkalkulierbar ist der falsche Ausdruck. Gerade dann wird es nämlich kalkulierbar. Ohne Verblockung wäre es nicht kalkulierbar. Ein Restrisiko bleibt immer. Das kann man jedoch gut tragen, insbesondere dann, wenn man die Anfertigung an die Bedingung knüpft, zukünftig eine Schiene zu tragen. Man muss Tacheles reden mit den Patienten und ihnen schonungslos die Wahrheit sagen. Sie werden überrascht sein, was die Patienten bereit sind an Eigenarbeit zu leisten, wenn man herausnehmbaren Zahnersatz vermeidet. In diesem Sinne ist die adjustierte Schiene die mildeste Variante der herausnehmbaren Prothese. " Aber seien wir ehrlich,  das Leben ist lebensgefährlich"....smile...

9. Am folgenden Wochenende nach dem Besuch bei Ihnen besuchte ich die Tagung der DG-Endo in Köln. Dort habe ich zwei live-WSRs von Endo-Pabst Prof. S. Kim /USA gesehen. Die OPs wurden minimal invasiv und beeindruckend durchgeführt. Interessanter fand ich den Ausgangsbefund: Beide Zähne (1x34, 1x36) waren mit lehrbuchhaften „Guru“-Endos versorgt (konische Aufbereitung + Thermafill), zeigten aber große apikale Aufhellungen. Es wurde aber nicht diskutiert, was vorher schiefgelaufen ist! 

Das werden Sie noch sehen, dass das der typische Verlauf ist. Wie minimal invasiv und beeindruckend auch immer, sein mag:

1. Die WF wird aus Angst vor dem Misserfolg viel zu lange rausgeschoben.
2. Sie wird erst dann und ohne sorgfältige Desinfektion in wenigen (häufig nur einer) Sitzungen durchgeführt, auch wenn der Patient mit dicker Backe kommt
3. Der Zahn wird für eine Zeit ruhig bevor er exazerbiert
4. dann kommt die WSR
5. der Zahn wird wieder ruhig für eine gewisse Zeit
6. Dann exazerbiert er, häufig genug mit einer Fistel
7. Dann kommt die Ex

Der Erfolg in der Endodontie setzt die sorgfältige Entfernung der Keime voraus.

 

Die Fragen stellte Kollege Michael Menges, Bad Soden. 

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