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Fallbeispiel 192

München hat ja nun weiß Gott eine sehr hohe Zahnarztdichte.

Vor diesem Hintergrund verwundert es dann schon, dass eine Praxis überleben kann, in der eine Zahnheilkunde betrieben wird, die offensichtlich streng an der NICHT-Zahnerhaltung ausgerichtet ist.

Die 16jährige Patientin stellte sich mit einem stark klopfempfindlichen Zahn 46 mit vestibulärer Schwellung über der mesialen und Fistelung über der distalen Wurzel vor. Die Fistel mündete in einer das Fistelmaul umwuchernden blumenkohlartigen Schwellung, wie sie nicht untypisch für eine lange Fistelanamnese ist. 

Klinisches Bild bei der Erstuntersuchung, unmittelbar nach Trepanation, Abszesseröffnung mittels Sonde und Aufbereitung (Klick!)

Große apikale Aufhellung an Zahn 46 (Klick!)

Anamnestisch gab die Patientin an, vor einigen Monaten über einige Tage unter heftigen Zahnschmerzen gelitten zu haben, die jedoch spontan wieder sistierten. Vor 4 Wochen sei es zu erneuten Schmerzen gekommen, die diesmal von einer deutlichen vestibulären Schwellung begleitet waren. Sie habe daraufhin ihren Zahnarzt aufgesucht, der ihr ein Antibiotikum verschrieben und erklärt habe, da könne er jetzt gar nichts machen, sie solle wiederkommen, wenn die Schwellung abgeklungen sei.

Ein solches Vorgehen -Antibiotikagabe ohne Trepanation -  gibt einen belastbaren Hinweis darauf, dass der Kollege plante, den Zahn nach Abklingen der akuten Abszesssymptomatik zu extrahieren. Wenn man bedenkt, wie einfach es ist, einen solchen Zahn - ganz besonders bei einer jugendlichen Patientin mit weiten Wurzelkanälen - konservierend zu erhalten, erfüllt die Extraktion in dieser Situation in unseren Augen den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung. 

Messaufnahme im August 2010 (Klick!)

Initial haben wir den Abszess über der mesialen Wurzel nach einem Einstich mit der zahnärztlichen Sonde ohne Anästhesie entleert, den Zahn trepaniert und mit 15ner Feilen über die Wurzelkanäle Zugang zur apikalen Ostitis geschaffen. Dies zum einen, um für unser Desinfizienz guten Zugang zum bakteriellen Herdgeschehen zu schaffen, aber auch, um zunächst einmal entscheiden zu können, ob es sich bei der Ostitits lediglich um eine Aufhellung, oder aber bereits um eine zystische Veränderung handelte. Da letzteres nicht der Fall war, haben wir die drei Wurzelkanäle bis zu ihrem Apex aufbereitet und medikamentös mit ChKM, Watte, bedingt offen versorgt. Antibiotika und Schmerzmittel wurden nicht verordnet. Unter dieser einfachen Therapie wurde die Patientin sehr schnell beschwerdefrei, die Schwellung über der mesialen Wurzel bildete sich innerhalb von zwei Tagen nahezu vollständig zurück und die blumenkohlartige Veränderung um das Fistelmaul über der distalen Wurzel war deutlich regredient. Da der Zahn nach zwei Tagen kaum mehr klopfempfindlich war, konnten wir den Zahn bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nach ChKM-Einlage provisorisch verschließen.

Klinische Situation 10 Tage nach Wurzelkanalaufbereitung und 2 medikamentösen Einlagen mit ChKM (Klick!)

Eine gute Woche später ist die Fistel bei vollständiger Beschwerdefreiheit geschlossen, die Veränderung um das Fistelmaul nahezu vollständig abgeheilt, und der Zahn - wie man an der provisorischen Füllung sieht - wieder voll belastbar.

Unmittelbar nach WF im Oktober 2010.  Die Patientin ist klinisch völlig beschwerdefrei. Die vormals große Aufhellung ist röntgenologisch bereits nahezu vollständig knochendicht ausgeheilt. Bei Jugendlichen (bessere Knochendurchblutung, höheres Regenerationspotential) geht das erfahrungsgemäß (und wie man hier sieht) ausgesprochen schnell (Klick!).

Das gibt wirklich ein gutes Gefühl und motiviert unheimlich, wenn man einer solch jungen Patientin eine Lücke ausgesprochen langfristig und voraussagbar ersparen kann (und einem solchen Kollegen eine solch junge Patientin ausgespannt hat, die ihre Zähne ja noch lange braucht....smile...).. Das ist mit Geld gar nicht aufzuwiegen.. 

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